NARZISSMUS

WAS SIE ÜBER NARZISSMUS WISSEN SOLLTEN

Menschen, die sich um sich selbst drehen und einen ausgeprägten Egoismus an den Tag legen, sind den meisten von uns schon einmal begegnet. Das sind nicht immer die sympathischsten Zeitgenossen, der Umgang mit ihnen ist nicht leicht, aber machbar.

 

Anders sieht es bei den Narzissten aus, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Das sind Menschen, die andere durch ihr Verhalten zutiefst verstören, verletzen und verunsichern können. Was diese im schlimmsten Fall physisch und psychisch krank macht. Speziell, wenn sie sich in einer Liebesbeziehung mit einer Narzisstin oder einem Narzissten befinden. Aber auch die Auswirkungen im beruflichen Umfeld können gravierend sein.

 

Wie treten Narzissten auf?

 

Narzissten können sehr einnehmend sein. Oft sind sie charmant, charismatisch, gebildet, höflich, intelligent, eloquent und erfolgreich. Kurz gesagt: Sie sind hinreißend. Und erobern andere Menschen im Sturm. Wer sollte da auch Nein sagen können? Doch Narzissten sind nicht so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Irgendwann bröckelt die Fassade und sie zeigen ihr wahres Gesicht. Dann beginnt ein böses Spiel, ein Spiel, das die Partnerin oder der Partner oft nicht durchschaut und das das Leben in kürzester Zeit in Schieflage bringen kann.

 

Narzissten sind nicht immer Männer. Es gibt sehr wohl auch Frauen, die sich für wertvoller und wichtiger als andere Menschen erachten und die klassischen Symptome einer narzisstischen Störung zeigen. Im Folgenden werde ich aber die männliche Form für die Narzissten und die weibliche für ihre Partner verwenden, da das immer noch die häufigste Konstellation ist. Wer also eine narzisstische Partnerin hat und Hilfe benötigt, ist natürlich genauso herzlich willkommen.

 

Wer sich in einen Narzissten verliebt, erlebt den Himmel auf Erden. Doch mit der Zeit verändert er sich und zeigt plötzlich völlig neue Wesenszüge. Dann neigt er auf einmal dazu, seine Partnerin klein zu machen, sie respektlos zu behandeln, sie mit Wutausbrüchen zu tyrannisieren, rücksichtslos seine Interessen durchzusetzen, mit Zurückweisung und/oder Ignorieren vermeintliches Fehlverhalten zu bestrafen. Die Partnerin gerät in eine Situation, in der ihr immer wieder unterstellt wird, sich nicht genug anzustrengen, nicht genug für die Partnerschaft zu tun, dumm, faul, vergesslich und unfähig zu sein. Sie wird sukzessive ihres Selbstvertrauens und ihres Selbstbewusstseins beraubt, eingeschüchtert von der ständig gegenwärtigen Drohung, verlassen zu werden.

 

Die hier beschriebene Version einer narzisstischen Beziehung ist die Hard-core-Variante und die Narzisstin bzw. der Narzisst leidet in einem solchen Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Persönlichkeitsstörung.

Doch gibt es auch abgeschwächte Formen einer solchen Beziehungsstruktur, Graubereiche, in denen sich narzisstische Muster wiederfinden. Das sind dann Menschen mit negativen narzisstischen Verhaltensweisen.

 

Daher lege ich großen Wert darauf, die individuelle Situation meiner Klientinnen und Klienten genau zu analysieren. Pathologische Narzissten haben ein in der Psychologie klar umrissenes und definiertes Verhaltensmuster, das ich hier auch noch beschreiben werde. Aber es gibt auch Narzissten, die davon abweichen. Es gibt Ausbeuter unter ihnen, aber auch Überversorger, es gibt direkt oder indirekt agierende, introvertierte oder ausgesprochen extrovertierte bzw. sexualisierte und asexuelle Typen. Und viele mehr.

 

Jede Beziehungsproblematik hat ihre eigene Dynamik. Dieser versuche ich zusammen mit meinen Klientinnen und Klienten auf die Spur zu kommen. So hat man die Chance, eine nachhaltige Lösung zu finden.

 

Die neun Kriterien der „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ 

  • „Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z.B. übertreibt die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).“
  • „Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.“ 
  • „Glaubt von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können.“
  • „Verlangt nach übermäßiger Bewunderung.“
  • „Legt ein Anspruchsdenken an den Tag (d. h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen).“ 
  • „Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d.h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen).“
  • „Zeigt einen Mangel an Empathie: Ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.“
  • „Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie.“
  • „Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweise oder Haltungen.“

 Bewertungstabelle DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), 5. Auflage

 

Nach meiner Erfahrung zeigen sich bei Narzissten auch gerne folgende Verhaltensmuster: Sie haben oft große Angst davor, verlassen zu werden. Können aber eine Beziehung ohne Reue wegen eines neuen, „besseren“ Partners beenden. Auf Kritik reagieren sie mit Wut, Scham, Hass und Rachegefühlen. Selbst die kleinste Kränkung empfinden sie als massiven Angriff und als Demütigung. Dann wechseln sie von einem übersteigerten Selbstbild zu einem Gefühl absoluter Wertlosigkeit. 

Und – sie haben nie Schuld, Schuld haben immer die anderen.

 

Wie läuft eine narzisstische Beziehung ab?

 

1. Love-Bombing

Zu Beginn einer Beziehung mit einem Narzissten wird seine Partnerin mit Liebe, Anerkennung und Aufmerksamkeit geradezu überschüttet. Es geht alles viel zu schnell und ist viel zu intensiv. Die drei magischen Worte „Ich liebe dich“ fallen sehr früh. Da ist schnell die Rede vom Seelenverwandtschaft, von ganz großen und ganz tiefen Gefühlen. Es ist zu schön, um wahr zu sein. Und es ist auch nicht wahr.

 

2. Katz und Maus

Nach einer gewissen Zeit zieht der Narzisst sich zurück, oder er verletzt seine Partnerin seelisch. Was sie verwirrt und enttäuscht, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass sie Angst hat, ihn zu verlieren und dass sie ihn jetzt ihrerseits mehr umwirbt. Sie sehnt sich nach der Intensität der Anfangszeit zurück. Doch die kommt nie wieder. Jetzt diktiert der Narzisst die Regeln. Die Katze hat ihre Maus gefunden.

 

3. Ausbeutung

Der Narzisst nimmt mehr als er gibt. Wer dieses Missverhältnis anspricht, bekommt seinen wahren Charakter zu spüren. Darauf reagiert er entweder mit komplettem Rückzug oder mit massiven Abwertungen, mit aggressiven Wutausbrüchen und mit der völlig überzogenen Drohung die Beziehung sofort zu beenden.

 

4. Verstrickung durch Manipulation

Die Partnerin wird eingeschüchtert, verunsichert und abgewertet. Sie versucht alles besser zu machen und gibt sich die Schuld an den Schwierigkeiten, die der Narzisst verursacht.

 

5. Isolierung

Die Partnerin wird immer hilfloser und unglücklicher. Der Narzisst behindert bzw. unterbindet ihre Beziehungen zu ihrer Familie und ihren Freunden. Sie bekommt keine Hilfe, wird immer mehr isoliert und verstrickt sich immer tiefer.

 

6. Zuckerbrot und Peitsche

Das Spiel des Narzissten folgt einer ganz eigenen Choreographie, hat ein ganz eigenes Drehbuch, das mit Stereotypen arbeitet, die sich in vielen solcher Beziehungen so oder so ähnlich wiederfinden. Der Narzisst ist zufrieden, so lange er machen kann, was er will und seine Partnerin ebenfalls macht, was er will. Die Manipulationen durch Verunsicherung, Abwertung und gleichzeitig auch wieder durch viel Aufmerksamkeit bei Wohlverhalten binden die Partnerin immer mehr an den Narzissten. Durch diese Art von Gehirnwäsche ist sie nicht mehr in der Lage, eigenständig und unabhängig zu denken und zu agieren. Im schlimmsten Fall wird sie emotional abhängig.